Der Dorfwettbewerb in Bayern
Die Sicht eines Planers als Mitglied der Bewertungskommission

Bewertungskommission Unterfranken beim Bezirksentscheid
Als Mitglied der Bayerischen Architektenkammer beleuchtet der Landschaftsarchitekt Klaus Neisser den Wettbewerb aus Sicht eines Planers und langjährigen Mitglieds der Bewertungskommission. Die Bayerische Architektenkammer widmet sich seit über 10 Jahren verstärkt dem Dorfwettbewerb. Sie entsendet ihre Mitglieder auf Kreis-, Bezirks- und Landesebene in die Kommissionen und stellt Sonderpreise zur Verfügung.
Seit Ende der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts beurteile ich in dreijährigem Rhythmus als Kommissionsmitglied die Entwicklung unserer bayerischen Dörfer. In dieser Zeit habe ich mehr als 160 bayerische Dörfer auf der Kreis-, Bezirks- und Landesebene bereist und beurteilt. Planende Architekten sind für die Beurteilung der Dorfentwicklung prädestiniert, denn sie befassen sich mit der Zukunft unserer bebauten und unbebauten Umwelt. Die Bayerische Architektenkammer widmet sich seit Anfang 2005 verstärkt diesem Dorfwettbewerb. Auch in diesem Jahr wird sie sich inhaltlich und finanziell beteiligen und mehrere erfahrene Mitglieder werden wieder mit viel Freude und großem Engagement an den Bereisungen teilnehmen. Bei der Entwicklung unserer Dörfer geht es nicht nur um Fassadenaspekte, sondern auch um Baukultur im Ländlichen Raum. Hier wollen wir einen Beitrag zur Wertschöpfung vor Ort unterstützen; örtliche und heimische Baumaterialen sollen verwertet, leer stehende Gebäude vitalisiert und ggf. modernisiert werden, anstatt den Flächenverbrauch durch den Ausweis neuer Baugebiete auf der „grünen Wiese“ zu fördern. Zur Baukultur gehört auch eine hohe Gartenkultur im Dorf. Wenn die Gartenkultur das Angebot der Bau- und Gartenmärkte widerspiegelt, dann ist das Konsumpräsentation und hat sehr wenig mit Kultur gemein. Beurteilen Sie unter diesem Aspekt einmal die „steinernen und sauberen“ Vorgärten im Vergleich zu formalen oder staudenreichen ländlichen Gartenanlagen einschließlich der Ausstattung – unser Urteil dürfte sicherlich nah beieinander liegen.
Bei der Bewertung eines Dorfes in der Landschaft fühlen sich manche Dörfer in reiner Ackerlandschaft gegenüber den Dörfern der alpinen Erholungslandschaft benachteiligt. Aber die geographische Lage allein darf natürlich genauso wenig ein Urteil beeinflussen wie das Wetter. Manches Dorf hat am Tag des Kommissionsbesuchs „Kaiserwetter“, andere Orte fallen in ein Regengebiet. Hier gilt es höchste Objektivität zu wahren, denn die Werte eines Dorfes werden vom Umgang der Bevölkerung mit ihrem Dorf sowie mit ihrer Landschaft geprägt. Es ist eine Gemeinschaftsaufgabe – zu der ich allen Teilnehmern gutes Gelingen und viel Erfolg wünsche.
Wenn ich zurückschaue, so erheitern mich zwei Gemeinden bzw. zwei Bürgermeister, die „ihre Dörfer“ in Anwesenheit der geschäftsführenden Beamten mit riesigem Elan präsentierten, ohne die Bürger auch nur minimal in das Dorfgeschehen einzubinden. Das ging natürlich schief. Andere Dörfer wiederum haben anlässlich der Bewertung einen freien Schultag veranlasst und das ganze Dorf auf die Beine gestellt - das Sozialgefüge scheint zu stimmen.
Anlässlich des letzten Dorfwettbewerbs – Abschluss 2012 – erhielt ein kleines Dorf in der Oberpfalz einen Sonderpreis der Bayerischen Architektenkammer für die vorbildliche Umnutzung bestehender Bausubstanz. In enormer Gemeinschaftsleistung wurde ein altes landwirtschaftliches Wirtschaftsgebäude zu einem attraktiven und vielfältig nutzbaren Gemeinschaftshaus mitten im Dorf umgebaut. Dieser Sonderpreis bescherte der Dorfgemeinschaft Atzmannsricht eine Wochenend-Exkursion nach Vorarlberg in Österreich mit Informationen über ländliche Baukultur - ein lohnendes Ziel.